Musikkapelle St. Georgen

In St. Georgen gab es immer schon begeisterte Musikanten. Allerdings mussten diese ihrer Musikbegeisterung außerhalb des Dorfes frönen, da im Ort keine eigene Musikkapelle bestand. So musizierte man jahrelang bei der Bürgerkapelle Bruneck, bis 1924 unter der damaligen eigenen Gemeindeverwaltung die Musikkapelle St. Georgen gegründet wurde. Die ersten Anregungen zur Realisierung eines derartigen Vorhabens kamen vom Gärbermeister Jakob Ploner und vom Bürgermeister Johann Treyer, "Christlrumer".
Bemerkenswert ist, dass die Gründung ausgerechnet in die Zeit des Faschismus und somit in die Jahre der Unterdrückung traditioneller Kultur fiel. Neben der Begeisterung für die Musik mag deshalb wohl auch die Tatsache, dass man die Geldmittel der Feuerwehr vor dem Zugriff der Faschisten schützen wollte, ein weiterer Grund für die Gründung einer Kapelle gewesen sein. Mit der Summe von 1.000 Lire aus der Kassa der Feuerwehr wurden nämlich zunächst von der Olanger Musikkapelle, später bei der Firma Stowasser (Plaschke) in Bozen gebrauchte Instrumente gekauft und die überflüssig gewordenen Feuerwehrblusen dienten den Musikanten als einheitliche Tracht!
Der Brunecker Kirchenchordirigent Josef Spechtenhauser brachte den zukünftigen Musikanten das Notenlesen bei und im Dietenheimer Lehrer Wilhelm Riedl fand man einen guten Lehrmeister, der als ehemaliger Kapellmeister in Neumarkt schon einschlägige Erfahrungen gesammelt hatte.
In der Christnacht 1924, gleichzeitig der Weihetag der neuen Kirchenglocken, ertönte vom Kirchturm zum ersten Mal das Spiel der Bläser.
Die Musikanten probten fleißig beim Mörlbauer Georg Knoll und konnten ihrem Seelsorger schon im Mai 1925 das erste Ständchen zum Namenstag vortragen. Auch an der Fronleichnamsprozession nahm man bereits teil. Noch im selben Jahr musste die Kapelle nach Bozen, um den italienischen König Viktor Emanuel zu begrüßen. Im Sommer waren die ersten Konzerte zu hören.
Im Herbst 1926 verlor die Kapelle den ersten Kapellmeister. Bis zum Jahr 1929 lehrte Philipp Reden aus Sand in Taufers die Musikanten. 1930 übernahm Eduard Piffrader, "Hofbauer Edl", das Kapellmeisteramt. Dieser war während seiner Militärzeit Mitglied der Regimentskapelle in Rom. Es war der Anfang einer langen Kapellmeisterlaufbahn in St. Georgen.
Im selben Jahr entstand während eines Ausflugs nach Ehrenburg das erste Gruppenfoto noch mit Kapellmeister Riedl:

Hermann Holzmann und Eduard Piffrader haben Vereinsgeschichte geschrieben

Mit Josef Knoll wurde der erste Obmann gewählt. Er besorgte auch die ersten Aushilfskräfte aus Bruneck, was der Beginn des wichtigen und freundschaftlichen Kontaktes der beiden Kapellen war. So waren der Kapellmeister Piffrader und mehrere andere Musikanten auch Mitglieder der Bürgerkapelle Bruneck, die damals von Achille Del Marco geleitet wurde. Die Schulung der St. Georgener Musikanten durch Del Marco war äußerst wertvoll und wirkte sich auf das Niveau der gesamten Kapelle aus.

1938 hatte die Musikkapelle die Aufgabe, den italienischen Kronprinzen Umberto in Bruneck zu empfangen.
Am 31.12.1939 kam die Kapelle zum letzten Mal beim Hofbauer zusammen. Es wurde ein Abschiedsmarsch gespielt und die Geldmittel aufgeteilt - es waren wieder 1.000 Lire. Jeder Musikant nahm sein Instrument laut Anordnung zur Verwahrung mit und mit einem letzten Gruppenbild wurde voneinander Abschied genommen.
1941 brach ein Großbrand aus, dem 15 Häuser zum Opfer fielen, darunter ein Großteil des Musikinventars, das im Gasthof "Bäck" (heute Sporthotel Gissbach) untergebracht war. Die meisten Musikanten befanden sich zu diesem Zeitpunkt im Krieg.

Nach Kriegsende konnte aufgrund der vielen Gefallenen und Vermisstenmeldungen und auch wegen der vielen Optanten vorerst nicht an eine Neugründung der Kapelle gedacht werden. Erst 1948 ergriffen Altgründungsmitglieder die Initiative, Piffrader zeigte sich begeistert und in der Hofbauerstube kam es bald zu den ersten Proben. Bei der Herz-Jesu-Prozession im Juni 1948 erklang erstmals wieder das Spiel der Musikkapelle.
Unter der Leitung des engagierten Kapellmeisters Piffrader erlangte die Kapelle erste Ehrungen, so beim Wertungsspiel 1951.
1954 fand der erste Ausflug ins Ausland statt.
In nur 30 Tagen erbaute man ein eigenes Probelokal, nachdem zuvor stets in verschiedensten Räumen - vom Heustadel über die Stube bis in den Kuhstall - geübt worden war.
1961 war die Musikkapelle zum ersten Mal im Rundfunk des Senders Bozen (RAI) zu hören.
Es entstand eine Böhmische Besetzung, die durch ihre zahlreichen Einsätze viel dazu beitrug, die Schulden der Kapelle zu decken.
Überhaupt erreichten die Georgener in diesen Jahren ein beachtliches musikalisches Niveau, das selbst im Ausland bekannt war.
1971 bis 1974 stand der Bau des Vereinshauses (gemeinsam mit anderen Dorfvereinen) sowie des Musikpavillons im Vordergrund.

Auszug aus der Festschrift "Musikkapelle St. Georgen. 75 Jahre. 1925-2000"

1972 übergab Eduard Piffrader nach mehr als 40 Jahren Tätigkeit als Kapellmeister sein Amt an Josef Oberschmied ab.
Unter der Leitung des jungen Dirigenten kam neuer Schwung in die Reihen der Musiker, besonders von seiner unermüdlichen Jugendarbeit sollte die Kapelle in den darauf folgenden schwierigen Zeiten noch lange zehren.
Seit 1975 besteht eine freundschaftliche Beziehung zur Musikgesellschaft St. Antoni in der Schweiz.
Als 1981 Bruno Muser - von Insidern als "Walzerkönig" bezeichnet - die musikalische Leitung übernahm, ahnte noch niemand, zu welchen Höchstleistungen eine Dorfkapelle überhaupt imstande ist. Die Zeit unter der Führung Musers war gekennzeichnet von harter Probenarbeit mit Konzerten im Stil der Straußschen Unterhaltungsmusik und von zahlreichen Teilnahmen an Wertungsspielen im In- und Ausland, was die Musikanten zusätzlich anspornte.
Doch die Zeiten änderten sich drastisch und man hatte mit der zunehmenden Musikantenflucht zu kämpfen. Obmann Johann Brugger meisterte diese Situation vorbildhaft und es gelang ihm, die Kapelle als einen der ersten Musikvereine mit einer historischen Tracht neu einzukleiden.
Zwistigkeiten ließen Muser 1984 den Taktstock niederlegen. Für ein Jahr übernahm der junge Klarinettist Christian Neumair das anspruchsvolle Amt. Dann leitete nochmals Muser - inzwischen auch Landesjugendleiter - bis 1989 die Kapelle. In diese Zeit fällt einer der großen Erfolge der Musikkapelle: Bei der Teilnahme am 2. Europäischen Blasmusikfestival im Mai 1986 in Hammelburg (D) erlang sie beim Wertungsspiel der Oberstufe einen ersten Rang!
Primäre Aufgabe des 1991 gewählten Obmannes Hansjörg Algrang war beinahe Jahr für Jahr die Suche nach einem neuen Kapellmeister. 1990 und 1991 dirigierte der Bezirks- und Landesjugendleiter Pepi Fauster aus Niederdorf den Klangkörper.
Von 1991 bis 1993 folgte ihm Georg Kirchler aus Mühlen in Taufers. Auch dieser musste aus beruflichen Gründen dem jungen Toblacher Harald Lechner den Taktstock übergeben. Für zwei Jahre übernahm anschließend nochmals Kirchler die Führung, blieb der Kapelle danach noch als Posaunist und Vizekapellmeister erhalten.

Seit Herbst 1995 leitet der engagierte Klarinettist Hans Mitterhofer die Geschicke der Musikkapelle St. Georgen.

Mit dem Umbau des neuen Vereinshauses inklusive Konzertsaal hat die Kapelle seit 1998 endlich ein bleibendes Zuhause für ihre traditionellen Georgikonzerte.

Ein wichtiger Teil der Jugendarbeit lag in der Schaffung der "Jörgina Jungmusikontn", die mittlerweile jährlich zu Weihnachtskonzerten lädt. Die Teilnahme an Prüfungen zum Jungmusiker-Leistungsabzeichen, die Herausgabe einer eigenen kleinen Zeitschrift sowie die Organisation von Ausflügen und Feiern sind weitere fixe Bestandteile dieser Aufbauarbeit.

Im Jahr 2000 feierte die Musikkapelle St. Georgen, die zu diesem Zeitpunkt über 50 aktive Mitglieder zählte, ihr 75-jähriges Bestehen mit über das ganze Jahr verteilten Aktivitäten - vom Kathreintanz über ein Weihnachts- und Galakonzert bis zum Kindermusical und einer Fotoausstellung. Eine informative Festschrift begleitete dieses Jahr als bleibende Erinnerung.

Mehr Informationen unter www.st-georgen.it/Musikkapelle/musikkapelle.htm