Kurt Estermann

Biographie

Kurt Estermann, geboren 1960 in Innsbruck, studierte an der Musikuniversität Wien Komposition (Erich Urbanner), Kirchenmusik (Peter Planyavsky, Michael Radulescu), Orgel und Cembalo (Gordon Murray). In diesen Bereichen erhielt er mehrfach Preise und Würdigungen:

1985 * Würdigungspreis beim internationalen Wettbewerb in Brügge/Belgien
1987 * Musikförderungspreis der Tiroler Sparkassen
1989 * Würdigungspreis des Wissenschaftsministeriums
1989 * zweiter Preis beim internationalen Paul Hofheimer-Wettbewerb in Innsbruck
1995 * Würdigungspreis des Wissenschaftsministeriums
1996 * Zuerkennung des Preises des Kompositionswettbewerbes des Tiroler Sängerverbandes
1997 * Förderungspreis für Musik des Bundes
1998 * erster und dritter Preis für künstlerisches Schaffen der Landeshauptstadt Innsbruck

Im Jahr 2000 wurde Kurt Estermann zum Ordinarius für Kirchliche Komposition an der Universität Mozarteum berufen.
Er ist zudem als Stiftsorganist des Stiftes Wilten in Innsbruck tätig.
Arbeiten als Juror bei Kompositionswettbewerben (Slatkonia- Preis, Musikförderungspreis des Bundeskanzleramtes) sowie Kompositionsaufträge, z.B. des ORF, der klangspuren schwaz und verschiedener Ensembles ergänzen seine Aufgaben.

Stilbeschreibung

Die Auseinandersetzung mit vorgegebenen Formen erzwingt neue Konzepte, wobei die Ausrichtung auf das "Spannungsfeld Tradition" zwischen Adaption und Zerschlagung wechselt. Offenheit gegenüber neuesten Tendenzen misst sich mit der Bewertung der eigenen Identität: expressiver Klang und durchdachte Konstruktion, Emotion und Experimente mit Zahlen und Intervallen, Konsequenz und permanente Infragestellung. Das weite Feld zeitgemäßer Ausdrucksmittel muss sich immer durch kompositorisches Gestalten bewähren.

Aufführungen
seit 1996 bei den klangspuren in Schwaz, ORF Wien, ORF Tirol, Galerie St. Barbara in Hall in Tirol, Osterfestival Tirol sowie in Deutschland, Schweiz, Italien, Polen und Amerika

Ergänzung der Werkliste ab 1997

Eine komplette Werkliste bis 1997 enthält das Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich und music information center austria, Wien 1997

- Doppelkonzert für Cembalo und Orgelpositiv
1. Introduzione
2. Vivo
3. Aria
4. Motu perpetuo

- "Drei Anrufungen" für Orgel nach dem lateinischen Kyrie fons bonitatis deutsch 1537
1. Kyrie, Gott Vater in Ewigkeit
2. Christe, aller Welt Trost
3. Kyrie, Gott heiliger Geist

- "Dies" Zyklus für Blechbläserquintett und Orgel

1. irae
2. sanctificatus
3. Haec
4. est laetitiae
5. Christe, qui lux es et

- Symphonie in fünf Sätzen für großes Orchester
1. Variationi
2. Scherzo
3. Canto
4. Intermezzo
5. Memento

- Stück für Violoncello und Klavier
1. Variationen
2. Capriccio
3. Cantus
4. 3+3+2

- Variationen über ein altes Innsbrucker Marienlied für große Orgel, zehn Blechblasinstrumente und Pauken
1. En taille
2. Choral
3. Duo
4. Anches
5. Flutes
6. Trio
7. In tempore belli
8. Fugue

- Missa simplex per annum für gemischten Chor
1. Kyrie
2. Gloria
3. Credo
4. Sanctus
5. Agnus Dei

- Zwei Stücke für große Orgel
1. maß und zahl
2. einbrechendes licht

- "Te Deum laudamus" für Choralschola und Orgel
1. Die Schöpfung huldigt Gott
2. Die Kirche preist den dreifaltigen Gott
3. Lobpreis Jesu Christi
4. Bitten

- "HEIMAT" für Rezitator, Cembalo und Orgelpositiv nach Kritiken und Reaktionen zum "Mahnmal gegen Krieg und Faschismus" von Alfred Hrdlicka ausschließlich aus der österreichischen Massenboulevard-Zeitung
1. Vorspruch
2. Entlarvungen
3. Intermezzo
4. Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen
5. Koloraturen

Werkliste Kurt Estermann / 2002 (Auswahl)

Orgelmusik

- Intermezzo 1988
- Vier Elemente 1993
- "Ich wollt, dass ich daheime wär" 1993
- Drei Anrufungen 1997
- zwei Stücke 2001

Kammermusik

mit Orgel
- Drei kleine geistliche Gesänge 1986
- "schlagen, brennen, vereinnahmen, verzehren" für 6 Instr. 1996
- Konzert für Orgel und Kammerorchester 1996
- Doppelkonzert für Cembalo, Orgelpositiv und 5 Streicher 1997
- "Dies" Zyklus für Blechbläserquintett und Orgel 1998
- Variationen für große Orgel, 10 Blechblasinstrumente und Pauken 2000
- "Te Deum" für Choralschola und Orgel 2001

für Cembalo

- "Golgatha" Stück in zwei Sätzen 1989/90
- "noch ein wenig über B-A-C-H" für Violine und Cembalo 1993

vokal

- "Dunkles zu sagen" für Mezzosopran und Altflöte in G 1988
- "Wie es war, wie es ist, wie es sein wird" für Mezzosopran und Violine 1996

für Streichinstrumente

- Streichquartett 1991
- Stück für Violoncello und Klavier 1999

Chormusik

- Der 100. Psalm für gemischten Chor und sieben Blechblasinstrumente 1988
- "auch dein goldenes haar" für 16stimmigen gemischten Chor 1995
- Plenarmesse 1996
- Missa simplex per annum 1988/2000
- Hymnus "Ad cenam agni providi" für 6stimmigen gemischten Chor 2003

Orchestermusik

- Symphonie in fünf Sätzen für großes Orchester 1999
- Plenarmesse für symphonische Blasmusik 2003

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Komponistenporträt / 13.10.02
von Ursula Strohal

Kurt Estermann

"Wie es war, wie es ist, wie es sein wird", heißt eine seiner Kompositionen, ein Titel, der für Kurt Estermanns künstlerisches Wesen steht: Als Universitätsprofessor für Kirchliche Komposition am Mozarteum kennt er die Traditionen; als Praktiker und wacher Zeitgenosse nimmt er wahr, "wie es ist". Der Komponist schließlich geht voran, in eine Zukunft, die klingend Gestalt wird.
Kurt Estermann ist ein Mitdenker, Mitfühler und Anreger. Er wurde 1960 in Innsbruck geboren und hatte, wie er zurückhaltend formuliert, "das Glück eines musikalischen Elternhauses, wo alle selber gespielt und gesungen haben". Er studierte in seiner Heimatstadt und dann an der Wiener Musikhochschule Komposition (Erich Urbanner), Kirchenmusik und Orgel (Peter Planyavsky, Michael Radulescu) und Cembalo (Gordon Murray). Als Leitbilder nennt er Anton Heiller und Olivier Messiaen. Er erhielt eine Reihe von Preisen, u.a. bei den Orgelwettbewerben von Brügge (1985) und Innsbruck (Hofhaymer 1989), den Würdigungspreis des Wissenschaftsministeriums (1989 und 1995), den Förderungspreis für Musik des Bundes (1997) sowie den ersten und dritten Preis für künstlerisches Schaffen der Landeshauptstadt Innsbruck (1998).
2000 hat die Universität Mozarteum Salzburg Kurt Estermann zum Ordinarius für Kirchliche Komposition berufen. Im Stift Wilten ist der exzellente Organist weiterhin als Stiftsorganist tätig.
Sechzehn Stimmen weben das Schlaflied einer 17jährigen Jüdin, die das Konzentrationslager nicht überlebte. Estermann hat den Text bewegt und bewegend vertont, fließend, sich reibend, ein intensiv leuchtendes Vocalissimo. Als er den Innsbrucker Preis für künstlerisches Schaffen dafür erhielt, stiftete er die Hälfte der Israelitischen Kultusgemeinde. "Dunkles zu sagen": In den dunklen Flötenfluss mischen sich Vokale wie aus anderer Sphäre, bis die Wortvertonung in einem faszinierenden, melodiösen Bogen aufgeht. Einen stillen, schönen Gesang schrieb er auch dem Violoncello im "Stück für Cello und Klavier". Die "Introduktion" zeigt Estermanns überaus komplexe Klangebenen auf Orchesterniveau. Wie kraftvoll erdhaft, wie daseinsfreudig seine Musik kann, ist u.a. in den Meditationen zum Herz-Jesu-Fest zu erleben, in seinem Orgelkonzert oder in "maß und zahl". Sinnlich und rhythmisch betont ergießt sich sein Orgelklang in dem Stück "einbrechendes licht". Mit der Friedensmesse gewann er den Kompositionswettbewerb des Tiroler Sängerverbandes. Seine dichte, polytonale Expression nahm vor zwei Jahren im Auftragswerk für die neue Innsbrucker Domorgel gefangen. Die letzte Innsbrucker Uraufführung Estermanns war Mitte Oktober das Stück "Heimat": Ein Sprecher rezitierte gegen Alfred Hrdlickas Wiener Faschismus-Mahnmal gerichtete Texte aus der Kronenzeitung, hochnotpeinliche Worte, die Estermann in der seit seinem Doppelkonzert bewährt raffinierten Mischung von Cembalo und Orgelpositiv musikalisch geißelte.
Kurt Estermanns Musik ist mit ein paar Empfindungsbeschreibungen nicht zu umreißen. Er schreibt hochkomplex und ungemein farbig und ist im Ansatz immer mehrdeutig, weil er Traditionen akzeptiert, aber gleichzeitig in Frage stellt, weil er beim Komponieren funktional denken kann, aber sich niemals anbiedert. Er selbst beschreibt sein Komponieren so: "Die Auseinandersetzung mit vorgegebenen Formen erzwingt neue Konzepte, wobei die Ausrichtung auf das ,Spannungsfeld Tradition' zwischen Adaption und Zerschlagung wechselt. Offenheit gegenüber neuesten Tendenzen misst sich mit der Bewertung der eigenen Identität: Expressiver Klang und durchdachte Konstruktion, Emotion und Experimente mit Zahlen und Intervallen, Konsequenz und permanente Infragestellung. Das weite Feld zeitgemäßer Ausdrucksmittel muss sich immer durch kompositorisches Gestalten bewähren."