Museum
Am Ende der Fußgängerzone, gleich hinter der barocken Dekanatspfarrkirche befindet sich das Museum Sankt Johann in Tirol, in dem so manche, inzwischen fast in Vergessenheit geratene historische Persönlichkeit wieder zu neuem Leben erweckt wird. Zahlreiche Themen aus der Sankt Johanner Vergangenheit werden hier dem interessierten Besuchern näher gebracht und so erinnert man sich hier auch an drei bedeutende Musiker:
Stephan Angerer
Stephan Angerer wurde 1711 in Neubeuern in Bayern geboren und im Stift Fiecht fünf Jahre lang musikalisch und humanistisch ausgebildet. Als er zur Weiterbildung für einige Wochen bei dem angesehenen Organisten und Chormeister Martin Eberl in Kitzbühel weilte, erreichte ihn die Nachricht vom plötzlichen Tod des Sankt Johanner Schulmeisters und Organisten. Martin Eberl empfahl den jungen musikbegabten Stephan Angerer für den vakanten Posten auf das wärmste. Noch nie hätte er einen derart guten Orgelspieler gehört, schrieb er, der auch das Geigenspiel und noch anderes beherrsche.
1732 übernahm er die Stelle des Schulmeisters und heiratete noch im selben Jahr die Tochter seines Vorgängers, Anna Ursula Schöllhorn, die ihm die Söhne Anton Jakob, Johann Nepomuk sowie die Töchter Maria Ambrosia, Maria Clara und Maria Catharina schenkte.
Stephan Angerer blieb bis 1758 in seinem Dienst in Sankt Johann. Dann ging er offensichtlich als Organist nach Matrei (am Brenner?). Ab 1759 ist er jedenfalls als Chorregens an der renommierten Stadtpfarrkirche in Schwaz nachweisbar. Als solcher hatte er nicht nur den Chor zu leiten, sondern auch die Singknaben musikalisch zu unterrichten.
Aus der späteren Sankt Johanner und der Schwazer Zeit sind verschiedene Kompositionen von ihm, einige kleinere geistliche Werke, Kirchenlieder und Zwischengesänge in der Musiksammlung des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum aufbewahrt, und im Dekanatsarchiv Sankt Johann fand sich noch das Textbuch eines Singspieles.
1777 kehrte Stephan Angerer in den Bezirk zurück und verbrachte seine letzten Tage bei seinem Sohn Anton Jakob, der als Vikar Corbinian in Sankt Ulrich am Pillersee wirkte. Das genaue Sterbedatum Stephan Angerers ist jedoch unbekannt.
Im Pfarramt Fieberbrunn hängt ein überaus bemerkenswertes Portrait mit der Beschriftung: D(ominus) Stephan(us) Angerer resig (natus) Chori Regens de Swatz. Aetat(is) 64. Anno 1777 in Pillersee. Im Festanzug mit Perücke steht er vor einem Tafelklavier, darauf ein Blatt mit den Worten liegt: "del Sig. Bach". Dieses Portrait ist historisch von besonderer Bedeutung, weil es aus dieser Zeit kein anderes Bild eines Tiroler Musikers gibt.
Edmund Angerer
Siehe auch "Musikedition"
Der Sohn Stephan Angerers, Johann Nepomuk, wurde 1740 in Sankt Johann in Tirol geboren und erhielt die erste musikalische Ausbildung beim Vater in St. Johann, später als Kapellknabe im königlichen Damenstift zu Hall. 1758 trat er in das Stift Fiecht ein, wo ihm der bedeutende Kirchenmusiker Vigilius Blasius Faitelli aus Bozen Kompositionsunterricht erteilte. 1764 feierte er seine Primiz in Fiecht und nahm den Ordensnamen Pater Edmund an. Nun wirkte er als Chorregent im Stift und als Musiklehrer in der angeschlossenen Konviktschule. Häufig weilte er auch im Stift Stams, das damals durch sein florierendes Musikleben ein besonderer Anziehungspunkt für zahlreiche Musiker war.
Pater Edmund Angerer verfasste neben zahlreichen geistlichen Werken auch Singspiele und Operetten. Er verstarb 1794 in Stift Fiecht. Seine Werke sind vorwiegend in der Musiksammlung des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum und im Musikarchiv von Stift Stams überliefert. Der Musikalienbestand seines Heimatklosters Fiecht wurde leider beim großen Brand von 1868 völlig vernichtet.
So befinden sich auch in Stift Stams die Noten seiner sogenannten "Berchtolds-Gaden Musick." Diese Komposition besteht aus drei Sätzen und ist für Violine, Viola und Kontrabass geschrieben. Zusätzlich notierte Angerer auch noch Stimmen für Kinderinstrumente wie Wachtelruf, Kuckuck, Windpfeifchen, Trompetchen, Ratsche und Örgelchen.
Edmund Angerer dürfte die "Berchtolds-Gaden Musick" um 1765 komponiert haben. Sie war immer als Unterhaltungsmusik gedacht und bot deshalb auch die Möglichkeit für eine anonyme Überlieferung und individuelle Bearbeitung. So wurde diese Komposition schon in kurzer Zeit weit verbreitet und zu einer Art "Schlager" des 18. Jahrhunderts.
Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass kein geringerer als Leopold Mozart Angerers "Berchtolds-Gaden Musick" bearbeitet hat und die Besetzung nach Regeln der Salzburger Serenadentradition erweiterte. Nun wurde das Stück "Kindersinfonie" genannt, und als solche ging es auch in die Musikgeschichte ein. Edmund Angerer fiel in der Musikwelt bald nach seinem Tod in Vergessenheit, und so wurden immer wieder Leopold Mozart, Joseph Haydn oder Michael Haydn als Komponisten dieser "Kindersinfonie" angegeben. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts konnten die erwähnten Noten im Stift Stams wieder aufgefunden und der St. Johanner Edmund Angerer eindeutig als Urheber dieser weltberühmten Komposition nachgewiesen werden.
Die Bezeichnung Berchtesgadner Musik entsprach einer Mode von zahlreichen Kompositionen dieses Genretyps in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Es handelt sich dabei um eine spezifische Besetzung, die in einem zeitgenössischen Bericht genauer erklärt ist: "Bei dieser Musik haben Violins, Bratschen und Kontrabass die Hauptstimme, die Nebenstimmen aber werden mit verschiedenen, in dem hiesigen Lande (von Berchtesgaden) verfertigten Pfeiferln, Ratschen, Trompeterln, Kuckucksmaschinen, alles auf Noten und Takt besetzt."
Die sogenannten "Berchtesgadner Instrumente" waren in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts international begehrte Modeartikel. Erzeugt wurden sie entweder in Berchtesgaden oder im Grödental. Kinder auf den Straßen erfreuten sich daran ebenso wie adelige Herrschaften in den Residenzen und Klöstern - vor allem in der Faschingszeit. So stieg diese Spielwarenproduktion im Laufe des 18. Jahrhunderts sprunghaft an. Die Pfeifchen mit Vogelrufen, die Ratschen und Trompetchen wurden von Wanderhändlern in ganz Europa verbreitet.
Christian Blattl
Der Sankt Johanner Volksliederdichter Christian Blattl wurde im Jahre 1805 geboren. Er war der Sohn des gleichnamigen Schützenhauptmannes und Freiheitskämpfers, dessen Gedenktafel sich heute neben dem Wieshofer-Denkmal an der Sankt Johanner Pfarrhofmauer befindet.
Christian Blattl der Jüngere bewirtschaftete den Bauernhof Wilhelmstätt im Sankt Johanner Ortsteil Winkl-Sonnseite und war zeit seines Lebens ein einfacher Bauer, jedoch musikalisch und dichterisch sehr begabt. So verfasste Blattl zahlreiche Volkslieder, die uns dank eines Liederbuches bis heute überliefert sind. Blattl verstarb im Jahre 1865 in Sankt Johann. Sein Grabstein befindet sich links neben dem Eingang der Antoniuskapelle, wo er auf der Inschrift auch als "Volkslieder-Dichter" näher bezeichnet wird.
Blattls Tochter war in Sankt Johann allgemein als "s'blind Lisei" bekannt. Sie sang Anfang des 20. Jahrhunderts dem Wiener Volkslieder-Forscher Dr. Josef Pommer die Lieder ihres Vaters vor, sodass dieser 1910 ein Buch veröffentlichen konnte, in dem 73 Blattl-Lieder mit Text und Noten abgedruckt, und somit bis heute überliefert sind.
Mag. Peter Fischer
Nähere Informationen:
Museums- und Kulturverein Sankt Johann in Tirol
Bahnhofstraße 8
A-6380 Sankt Johann in Tirol
Tel.: 05352 6900 213
Fax: 05352 6900 1200
Mail: info@museum1.at
Web: museum1.at
Öffnungszeiten des Museums: Pfingsten bis Ende September
Dienstag, Donnerstag und Samstag: 10-12 Uhr
Donnerstag: 17-18 Uhr
Volksmusikabend "Sainihanserisch gspuit und gsunga"
Der Sankt Johanner Museums- und Kulturverein veranstaltet auch alljährlich einen Volksmusikabend unter dem Titel "Sainihanserisch gspuit und gsunga", bei dem Gruppen aus der Region Sankt Johann in Tirol traditionelle Volksmusik darbieten.