Musikkapelle Winnebach
Wenn früher in Tirol etwas Wichtiges beschlossen wurde, kamen der Pfarrer, der Lehrer und der Gemeindevorsteher bzw. Bürgermeister des Ortes oder der Gemeinde zusammen, ein Protokoll dokumentierte den Sachverhalt.
So geschah es auch am 3. März des Jahres 1903 in Winnebach: Im Widum kam es zu folgendem Beschluss:
"Aus dem Holzerlös vom Fraktionswalde werden 400 Kronen bereitgestellt. Der Herr Anton Mayr aus Sillian wird beauftragt, geeignete Leute als Musikanten auszubilden. Er verlangt dafür, dass ihm jede Barauslage für diesen Zweck voll und ganz ersetzt werde, wogegen er für Mühewaltung und Zeitverlust nichts beansprucht. Die Gemeindevorstehung hat das Recht der Einsichtnahme in die Vermögensgebarung der Kapelle."
Einen Monat später erklärten die ersten 13 Musikanten mit ihrer Unterschrift im Gasthaus von Alois Rainer (Eggelewirt) ihren Beitritt zur Musikkapelle. Sie wählten für drei Jahre "ein 3 gliedriges Comite", das über allfällige Streitigkeiten zu entscheiden hatte.
Dem Tolderwirt Johann Trojer (* 1929) hat man erzählt, dass es bereits vor 1903 in Winnebach eine Schützenkapelle gegeben habe - von dieser sei die heute noch verwendete Fahne der Musikkapelle erhalten geblieben.
Bis zum Ersten Weltkrieg spielte die Musikkapelle mit 17 bis 21 Mann bei allen kirchlichen und weltlichen Feiern. Sie bekam ihre Spendengelder von der damals noch eigenständigen Gemeinde, den Fraktionen, von Privatpersonen und vom jeweiligen Pfarrer.
Unter den Ausgaben finden sich z. B. für das Jahr 1910 Einträge für Zeche, Petroleum, für das Fell einer kleinen Trommel oder für die Reparatur einer "Tromba" plus Portospesen!
Die Reparaturkosten für Instrumente belasteten die Musikkapelle am meisten. 1910 ist auch das Jahr, in dem erstmals ein Kapellmeisterwechsel vollzogen wurde: Johann Nikolaus Webhofer, ein Schmied aus Obervierschach, folgte Anton Mayr.
Nach dem Krieg ist die Kapelle erstmals 1922 im Rahmen einer Glockenweihe dokumentiert. Dafür lieh man sich die Musikanten hauptsächlich aus Vierschach, die Tracht lieh man sich von überall her, zu den vererbten Stücken zählte der eigentümliche "Gupfhut" des Vorreiters.
"Im Jahre 1925 erhielt die Musikkapelle eine neue Tracht, die von den Volkskundlern als die "Windische Tracht" bezeichnet wurde." - so notiert Josef Patzleiner vulgo "Kontschieda Peppa" in seinen Aufzeichnungen.
Auch die Marketenderinnen kleideten sich in der Tracht der Windischen und nahmen als Vorbild Trachten aus St. Jakob im Lesachtal.
Bei Feiern der faschistischen Machthaber musste Winnebach mit dem Schild "Prato alla Drava" auftreten, dem italianisierten Namen des Ortes. 1940 fand eine Primiz statt, bei der die Musikkapelle Vierschach, verstärkt durch Musikanten aus Winnebach, auftrat.
Die neue bzw. zweite Gründung der Musikkapelle erfolgte 1948 mit 20 Männern. Die erste Ausrückung war im Mai 1949 zur Florianifeier gemeinsam mit der Feuerwehr.
Sie verwendeten sowohl die Instrumente aus den Jahren 1903/04 als auch das noch überlieferte Notenmaterial und rückten zunächst nur im Sonntagsgewand, ab 1954 mit Hut und Joppe in alter Tracht aus.
In den Jahren 1951 bis 1957 hatte die Musikkapelle eine rege Probentätigkeit und regelmäßige Auftritte bei kirchlichen und weltlichen Festen. Sie schaffte sich nach und nach ihre historische Tracht an. Für 1954 verzeichnen die Ausgaben einen Tambourstab und eine Kapellmeisterschleife! Die Musikkapelle trat in jener Zeit z. B. auch beim Traubenfest in Meran auf.
Anlässlich des 70jährigen Bestehens der Kapelle fand 1973 ein Jubiläumsfest statt. Bei diesem wurden Nikolaus Köck und Peter Walder für ihre jeweils 25jährige Tätigkeit als Kapellmeister mit dem goldenen Verdienstzeichen honoriert. Der Vollblutmusiker Peter Walder war seit 1948 bis zu seinem Tod im Jahr 1983 Kapellmeister.
1977 wurde ein neuer Aufsichtsrat gewählt, man stellte neue Vereinsstatuten auf. Seit 1978 spielt die Musikkapelle auf neuen Instrumenten in der Normalstimmung.
Die Nachfolge von Peter Walder als Kapellmeister trat 1984 bis 1999 der Lehrer Toni Brugger an. Man setzte sich zum Ziel, das Niveau der Musikkapelle in wenigen Jahren zu steigern. Schon ein Jahr später präsentierte Toni Brugger seine Musikanten nach 15jähriger Pause erfolgreich bei einem Platzkonzert.
1988 gab es beispielsweise 26 aktive Musikanten, es fanden 39 Haupt- und 50 Detailproben statt. Gespielt wurde unter anderem beim Wasserfest mit Bach- und Autosegnung, beim Herz Jesu-Fest, ein Konzert bei der Haunoldhütte oder im Rahmen einer Bergmesse beim Sylvesterkirchlein.
1995 ernannte man den Bundeshornisten Alois Pircher "Ponholzer" aus Anlass seines 76. Geburtstages zum Ehrenmitglied. Im Heimatort des langjährigen Flügelhornisten, in Strassen in Osttirol, marschierte die Musikkapelle Winnebach vor sein Haus und spielte einige flotte Märsche. Nicht einmal einen Monat später verunglückte Alois Pircher bei der Arbeit auf seinem Bauernhof. Er war und bleibt eine Legende im Musikleben. Er blies perfekt seine Signale bei der Militärmusik (1938-45), dann brauchten ihn die Musikkapellen von Strassen bis Toblach, bei den Aufmärschen der Schützen war er der Hornist des Landes Tirol.
Im Jahr 2000 hat die Musikkapelle den Sattler und Tapezierer Josef Kiebacher aus dem benachbarten Vierschach als Kapellmeister angeworben.
Sein Leitspruch ist: "Ich will nichts Modernes neu einlernen, aber Stücke, die ins Ohr gehen. Ich liebe die Tiroler Blasmusik."
2003 feierte die Musikkapelle ihr 100-Jahr-Jubiläum und gab zu diesem Anlass eine Festschrift heraus.

Festschrift
[Text zusammengestellt aus der Festschrift "100 Jahre Musikkapelle Winnebach 1903-2003"]