Männergesangsverein
Die Geschichte des Männergesangsvereins Kurtatsch ist nicht nur eng mit jener der Heimatgemeinde verbunden, sondern auch mit der Geschichte des Landes Tirols sowie mit jener des Südtiroler Unterlandes.
Die Gründung des Chores fällt mit großer Wahrscheinlichkeit auf das Jahr 1906, denn inzwischen verstorbene Chormitglieder bezeichneten immer wieder 1906 als das Jahr, in dem der in Kurtatsch tätige Lehrer und Leiter des Kirchenchores, Max Riedl aus Tramin, den Männerchor gegründet hat.
Vermutlich wollte man dem damaligen Zeitgeist entsprechend auch in Kurtatsch einen Männergesang deutscher Prägung haben, so wie dies in allen Städten und größeren Ortschaften des Landes bereits der Fall war. Zweck des Chores sollte aber nicht nur Gesang und Geselligkeit wie bei anderen Liedertafeln sein, sondern man wollte sich bewusst vor allem der Pflege des deutschen und besonders des Tiroler Volksliedes widmen.
Da die meisten Mitglieder des neuen Chores bereits beim Kirchenchor tätig waren und somit über eine gewisse musikalische Vorbildung verfügten, konnte der MGV in relativ kurzer Zeit eine reichhaltige Tätigkeit entfalten. Man war zu Hochzeiten und Familienfesten eingeladen, sang zu Weihnachten, Neujahr und bei vielen anderen Feierlichkeiten.
Kurz vor dem Ersten Weltkrieg übersiedelte Max Riedel und der Lehrer Josef Friniger übernahm seine Funktion als Chorleiter. Obwohl der Chor durch Ausbruch des Krieges seine Tätigkeit vorübergehend einstellen musste, hörte der Gesang nicht gänzlich auf. Als nämlich Italien im Jahr 1915 Österreich den Krieg erklärte, traten einige jüngere Chormitglieder geschlossen der Standschützenkompanie von Kurtatsch bei und rückten freiwillig zur Verteidigung der bedrohten Heimat aus. Bei einer feierlichen Feldmesse im Juli 1915 auf dem Tonalepass sangen sie zum ersten Mal die "Schubert-Messe" an der Front. Im Herbst des Jahres gründeten sie in der Valsugana (Busagrande-Vetriolosattel, Semperspitze) zusammen mit den Standschützenkameraden von Kaltern und Eppan die Kriegsliedertafel "Busagrande".
Der Chor trug in Kameradenkreisen viel dazu bei, das Los der Standschützen im Stellungskrieg zu erleichtern. Der Kommandant des Standschützenbataillons Kaltern, Major Di Pauli, schrieb am Weihnachtstag folgende berührende Zeilen in sein Tagebuch:
"Weihnachten im Feld, das hat seinen eigenen Reiz, besonders hier heroben in Schnee und Eis, in der Waldeseinsamkeit und doch mitten im pulsierenden Leben. So gegen 12 Uhr nachts erscheinen die ersten Standschützen. Die Silhouetten der Männer, die sich deutlich vom dunklen Nachthimmel abheben, erinnern mich an die Hirtenbilder deutscher Maler, die ich in München gesehen hatte. Vor unserer Kapelle steht ein kleiner Christbaum und eine bescheidene Papierkrippe, die eher wie ein Reklamebild aussieht. Aber alle diese Geschmacklosigkeiten können den erhebenden Eindruck der Christnacht nicht beeinträchtigen. Weil noch Leute beichten gehen, beginnt die Messe erst um 12.10 Uhr und wird dann von unserer Liedertafel mit einem herrlich gesungenen Gloria in excelsis Deo' eingeleitet. Leider stören ein paar besoffene Offiziere den feierlichen Gottesdienst, als aber nach der Wandlung erst pianissimo und dann immer lauter anschwellend das Stille Nacht, heilige Nacht' erklang, wurden sogar diese Trottel ruhig. Ich könnte mir keine schönere Mitternachtsmesse denken als die hier unter freiem Himmel, im Angesicht der feindlichen Artilleriebeobachter, die unsere Prachtbeleuchtung sicher gesehen haben müssen."
Die Liedertafel des Standschützenbataillons blieb fast bis Kriegsende beisammen.
Nach dem Krieg begann schon bald wieder eine geordnete Tätigkeit des Chores. Die Leitung übernahm der Lehrer David Mühlberger aus Atzwang, der den Chor in kurzer Zeit auf ein beachtliches musikalisches Niveau brachte. Zwischen 1919 und 1924 fanden zahlreiche gut besuchte Konzerte in der näheren und weiteren Umgebung statt. Im Programm hatte man 30 Lieder. Infolge einer Versetzung musste Mühlberger den Chor dem Lehrer Hans Mühlsteiger aus Natz überlassen. Trotz des von den Faschisten verordneten Singverbots blieb der Männerchor beisammen und pflegte weiterhin das deutsche Lied. Als dann auch noch die deutschen Schulen verboten wurden, musste Mühlsteiger Kurtatsch verlassen. Franz Orian sen. übernahm daraufhin den Chor, der sich ungeachtet der Verbote nicht einschüchtern ließ und seine Tätigkeit fortsetzte. Nach Abschluss der Option 1939 wurden für die sog. Optanten deutsche Sprachkurse eingerichtet und auch die deutsche Sprache konnte wieder ohne Angst gebraucht werden. Mit dem Einmarsch deutscher Truppen 1943 wurden deutsche Vereine sogar speziell gefördert und neu gegründet; in Kurtatsch unter anderem eine Jugendmusikkapelle. 1944 beteiligten sich die Sänger mehrmals an Soldatenbetreuungen in Arco und Riva, wo sie besonders den Verwundeten mit ihren Liedern viel Freude bereiten konnten.
Im Jahr 1946 musste der Chor neu gegründet werden, da nur mehr drei Mitglieder übrig waren. Die Initiative ergriff der Lehrer und Musiker Alfred Gruber von Kurtatsch. Im Unterschied zu früher waren die meisten Sänger nun nicht mehr gleichzeitig Mitglieder des Kirchenchors. Gruber hatte es anfangs nicht leicht: Es fehlte nicht nur ein geeignetes Probenlokal, sondern auch Notenmaterial. Zunächst probte man in Küche und Stube eines Sangesbruders, bis ein Raum im Ansitz Freienfeld zur Verfügung stand.
1949 wurde der Chor Mitglied des neu gegründeten Südtiroler Sängerbundes und beteiligte sich mit gutem Erfolg auch am 1. Bundessingen des Jahres 1950 im Meraner Kursaal.
Schon in den ersten Jahren fuhren die Kurtatscher auch nach Österreich (Graz, Dornbirn, Bregenz und Innsbruck). Den Sängern ging es vor allem darum, ihre Heimat angemessen zu vertreten, was ihnen mit ihren humorvollen Liedern bestens gelang. So berichtete etwa das Steirerblatt (19.7.1950): "Wo auch immer sie ihre Lieder aus dem Südtirolischen erschallen ließen, lösten sie restlose Begeisterung aus."
Nachdem Gruber 1951 sein Amt zurücklegte, konnte nach zwei Chorleiterwechseln 1957 Siegfried Tappeiner, damals Volksschullehrer in St. Pauls, als neuer Leiter gefunden werden. Unter seiner Führung verzeichnete der Chor einen beachtlichen Aufschwung. Er konnte die Sänger für Tiroler Mundartlieder von Sepp Thaler, Arthur Kanetscheider und Josef Pöll begeistern. Zum Standardrepertoire gehören bis heute die Lieder Sepp Thalers, der mit dem Chor in freundschaftlicher Verbindung stand und ihm eine Reihe seiner Kompositionen widmete.
Es gab wieder häufig Tourneen, unter anderem verbrachte man acht Tage in Oberösterreich: "Die sympathischen Südtiroler in der prächtigen Volkstracht erweckten überall helle Begeisterung, ihre klaren und weichen Stimmen sangen sich in alle Herzen" (Mühlviertler Nachrichten, 8.9.1960).
Als Tappeiner 1975 die Funktion des Obmanns des Südtiroler Sängerbundes übernahm, musste er den Chor an den örtlichen Musiklehrer Toni Pomella abgeben. Unter ihm wurde modernes Liedgut in das Repertoire aufgenommen.
1982 konnte unter dem seit zwei Jahren amtierenden Chorleiter Otto Zelger aus Tramin mit dem Lied "Die Schlernhex'n" von Sepp Thaler der landesweite Wettbewerb "Unser Lied 82" (veranstaltet vom RAI-Sender Bozen) gewonnen werden. Leider wurde die Freude durch eine unfaire Zeitungspolemik getrübt, die von den sogenannten "Freunden der echten Volksmusik" gegen das Siegerlied des Komponisten Sepp Thaler und auch gegen den Chor angezettelt wurde.
Wie in den vergangenen Jahren unternahm der Chor Konzertreisen nach Deutschland und Österreich. Weit über die Landesgrenzen hinaus und bei einem Millionenpublikum bekannt wurde er durch die Sendung "Sonntagskonzert" des ZDF im September 1982.
Das Jubiläumsjahr 1986 - dem 80. Geburtstag des MGV, bei dem Landeshauptmann Dr. Silvius Magnago die Festrede hielt - wurde auch ein historischer Tag für die Restaurierung des Ansitzes Freienfeld.
1992 übernahm der derzeitige Leiter Paul Höhn aus Girlan den Chor. Neue Literatur, insbesondere kirchliche Lieder und Messen, wurde einstudiert.
Neben zahlreichen mehrtägigen Auslandsreisen nahmen die Männer an vielen Singen auf Bezirks- und Landesebene teil. Der MGV Kurtatsch veranstaltete Benefizkonzerte (z. B. zugunsten von Lawinengeschädigten) und beteiligte sich selbst an Veranstaltungen dieser Art.
Traditionsbewusstsein und Pflege altgebräuchlicher Sitten bestimmen noch immer das Wirken des Chores. Zu den alljährlich wiederkehrenden traditionsgebundenen Auftritten zählen etwa die Gestaltung einer Messfeier für verstorbene Chormitglieder in der Adventszeit, Weihnachtssingen zu Ehren der Gefallenen vor dem Kriegerdenkmal oder die Teilnahme an der Andreas-Hofer-Gedenkfeier jeweils am 20. Februar.
Auch Advent- und Mariensingen sowie Volksmusikabende in Kurtatsch zusammen mit anderen Chören und Musikgruppen gehören dazu.
Auch einige Schallplatten- und Rundfunkaufnahmen (RAI, ORF, ZDF) liegen vor.
Zum geselligen Teil zählt neben den obligaten Ausflügen (darunter ein Kletterausflug zum Rosengarten!) auch das Kartenspiel, wobei ein "Perlagger" bis in die frühen Morgenstunden dauern kann.
2006 zählte der MGV Kurtatsch 33 aktive Mitglieder und vier Ehrenmitglieder, darunter Altlandeshauptmann Dr. Silvius Magnago. Obmann ist seit Herbst 2004 Thomas Gruber.
Zum 100jährigen Bestandsjubiläum kam eine umfangreiche Festschrift heraus, die für diese Zusammenstellung die Grundlage bildete. Über die obligate Chronik des Chores hinaus enthält sie unter anderem einen Beitrag über "Die Männerchorlieder von Sepp Thaler", eine Abriss über die Geschichte Kurtatschs sowie "Der Chor in der in- und ausländischen Presse".