Pfarrchor

Der Pfarrchor Natters bei der Fronleichnamsprozession 1997

Historisches
Lied zu Ehren des hl. Erzengels Michael in Natters von Michael Sebastian Pegger
Universitäts Organist in Innsbruck für
4 Singstimmen, 2 Violinen, Flauto Solo, 2 Clarinetten, 2 Horn, Organo et Violone
Ad me ( ?) Joh. Stern, 1845

Dieses sechsstrophige Lied - vielleicht vom Regens chori anlässlich des Patroziniums am 29. September1845 einem damals wohl angesehenen Organisten in Innsbruck in Auftrag gegeben - stellt die älteste schriftliche Quelle für die Existenz eines Kirchenchores in Natters dar. Im Hinblick auf die Qualität von Text und Musik muss man diesem alten Lokaldokument allerdings wenig Bedeutung beimessen. Aber andererseits sagt es aus, dass es bereits vor der Mitte des 19. Jahrhunderts "kirchenmusikalisches Leben" in Natters gegeben hat. Eine historische Recherche über den Kirchenchor liegt bis jetzt nicht vor. Doch ist interessant, dass bis 1987 in Natters noch die Verbindung der Funktionen Lehrer und Chorleiter bzw. Organist in Personalunion vorhanden war, d.h. dass die Gemeinde vom jeweils amtierenden Oberlehrer die Beherrschung der Orgel sowie die Führung eines Chores vorausgesetzt hat; dafür bot sie ihm freie Wohnung im Schulhaus sowie weitere Privilegien (früher in Natters z.B. acht Festmeter Holz). Der Lehrer musste wiederum nicht nur jeden Orgeldienst in der Kirche leisten, sondern war auch dort für alle musikalischen Aufführungen sowie für die Mitwirkung bei Prozessionen und sonst anfallenden kirchlichen Veranstaltungen verantwortlich. In früheren Zeiten - d.h. bis in die 1930er Jahre hinein - erwartete man vom Lehrer auch die Unterweisung begabter Knaben im Violinspiel zwecks späteren Einsatzes in der dörflichen Kirchenmusik.

Mit Hilfe von alten Gewährspersonen (Antonia Agreiter [geb. 1932], Steffi Frech [geb. 1919], Frau Anna Seidner [geb. 1916],) konnte mit Mühe eine Art Chorleiter- bzw. Organistenliste erstellt werden - allerdings nicht seit dem oben genannten Joh. Stern v. J. 1845, der damals vielleicht Regens chori war. Jedenfalls wirkte schon vor dem Ersten Weltkrieg ein Lehrer namens Kogl als Regens chori in Natters, seit den frühen 1920er Jahren Anton Hess, ein äußerst beliebter und musikalisch begabter Mann, dem nach dessen Freitod 1935 sein Bruder folgte. Während der Zeit des Zweiten Weltkrieges war mit dem Kirchenchor "nicht viel los", wie man mitteilte. Immerhin gab es einen Oberlehrer namens Baumann, der aber (vielleicht aus politischen Gründen) 1945 Natters wieder verlassen musste. Ihm folgte ein Lehrer und Organist namens Jaud, dem schon nach einem Jahr Oberlehrer Blaas nachfolgte; dieser bestimmte zwölf Jahre die Kirchenmusik in Natters, bis 1958 Wilhelm Henninger als Letzter in dieser Doppelfunktion Lehrer und Organist im Ort tätig war. Henninger wirkte 29 Jahre als Oberlehrer, Organist und z.T. auch als Gemeindepolitiker in Natters. Ihn löste 1987 der Unterzeichnete als Regens chori ab; der Erste, der mit der Funktion eines Lehrers im Dorf nichts mehr zu tun hat. Diese Trennung von Schule und Chorleitung hat aber den Nachteil, dass man es bei der Anwerbung des Chornachwuchses wesentlich schwerer hat, weil die Lehrer ihre Chorsänger und Musikanten direkt aus ihrem ehemaligen Schülerpotential in den Kirchenchor holen konnten - ein Umstand, der heute vielen Chorleitern, die nicht zugleich Pädagogen im Dorf sind, zu schaffen macht.

Repertoire
Das Jahr 1987 war ein Wendepunkt im Repertoire des Pfarrchores Natters. Wurden vorher fast ausschließlich Messen und geistliche Lieder aufgeführt, die auf den bisherigen dörflichen Traditionen beruhten, d.h. z.B. Orchestermessen von Obersteiner, Reimann, Niedrist, Faist, Jos. Gruber, Nagiller u.a., so versuchte man nachher die Literatur qualitativ insofern anzuheben, dass Mess- und Motettenwerke der Wiener Klassik, aber auch der sogenannten Alten Musik sowie der gemäßigten Moderne zur Aufführung kamen wie z.B. manche Werke Haydns, Mozarts, Schuberts, F.X. Grubers, Mendelssohns, Bruckners, Hasslers, Händels, Bamers, Tittels, Paulmichls und des Unterzeichneten. Dies war nur möglich, weil trotz der o.a. Schwierigkeiten Chorsänger dazu gewonnen werden konnten, die an der Hebung des Niveaus in Literatur und Interpretation interessiert waren. Um der Gefahr des Motivationsverlustes und der lähmenden Routine bzw. eines künstlerischen Stillstands zu entgehen, gehört es seit Jahren in Natters zum Prinzip, jährlich mindestens drei bis vier Werke neu zu studieren und so eine permanente Erneuerung des Repertoires zu erreichen, aber auch die Sänger immer wieder herauszufordern. Es hat sich bewährt, Werke fallen zu lassen und aus dem Repertoire zu nehmen, wenn sie in der Akzeptanz bei Chor und Volk sinken. Da sich der Pfarrchor Natters aus Laien zusammensetzt (Angestellte, Beamte, Hausfrauen, Lehrer, Kindergärtnerinnen, Verkäufern, Bauern usw.), sind in Bezug auf Literatur und Ausführung Grenzen gesetzt. Am besten gelingen Aufführungen von Werken des Chorleiters, weil sie den Sängern sozusagen auf den Leib geschrieben sind (z.B. die im Druck erschienene a cappella-Komposition Missa Jubilate Deo [Innsbruck: Helbling 2004 +CD] sowie zwei Totenmessen u.a.). In letzter Zeit wurde das Chorrepertoire durch Sätze von bekannten Spirituals, Gospels und religiösen Songs erweitert.

Aktivitäten
Durch die Haltung eines erweiterten Pfarrorchesters ist es möglich, anspruchsvolle Werke insbesondere an den hohen Feiertagen und anlässlich besonderer Festlichkeiten wie etwa des alljährlichen Cäcilienfestes aufzuführen. Ein diesbezüglicher Höhepunkt war im Jahr 2000 die viermalige Aufführung von Mozarts Krönungsmesse. Der Chor bestreitet pro Jahr ca. 30 bis 35 Aufführungen, davon zehn bis zwölf Orchesterämter. Der Chor ist nicht nur bei den beiden alljährlichen Prozessionen aktiv (Fronleichnam und Michaelsfest), sondern singt nach Möglichkeit bei jedem Requiem a cappella bzw. mit Orgel. Motivationsschübe sind jeweils auswärtige Aufführungen; so sang der Chor mehrmals in der Stiftskirche Wilten, in der Basilika Wilten, in Innsbruck-Pradl sowie bereits dreimal im Dom von Grado in Italien.

Geselligkeit
Keine Chorgemeinschaft kann auf Dauer ohne ein bestimmtes Maß an Geselligkeit auskommen. So wird nicht nur der Geburtstag jedes Chormitglieds am Ende von Chorproben (jeweils mittwochs) mit einem Büfett gefeiert, sondern auch gelungene Aufführungen an Festtagen (von den traditionellen Einladungen des Bürgermeisters nach den Prozessionen abgesehen). Durch die Dichte der Aufführungen bzw. wegen deren Vorbereitungen vor Festtagen (z.B. Karwoche und Ostern) kam bisher die profane Chorliteratur leider zu kurz, was sich gerade in Geselligkeitsabenden manchmal nicht günstig auswirkt.

Organisatorisches
Der Pfarrchor Natters hält konstant bei einem Stand von ca. 23 bis 26 Mitgliedern: 8 Sopran, 8 Alt, 4 Tenöre, 4 Bässe. Die Gemeinschaft ist vereinsmäßig streng organisiert, hat polizeilich genehmigte Statuten und ist Mitglied des Tiroler Sängerbundes. Finanziell wird der Chor von der Gemeinde und der Pfarre großzügig unterstützt wie man auch selbst bemüht ist, das bescheidene Gemeinschaftsvermögen durch Begräbnisse und Sonderaufführungen finanziell aufzubessern.

Dr. Josef Sulz